Die Funkamateure beim Hessentag 2020 in Bad Vilbel vom 5. – 14. Juni 2020
Notfunk
Der Begriff „Notfunk“ steht im Amateurfunk nicht für das, was er im ersten Eindruck vielleicht scheinen mag. Es geht nicht darum, die Funkkommunikation der Hilfsorganisationen im Not- oder Katastrophenfall zu ersetzen; diese sind entsprechend ihren Anforderungen bestens ausgerüstet und sehr gut ausgebildet. Funkamateure – so die legale Regelung – setzen auch in der Regel keinen SOS-, Mayday- oder Pan(ic)-Ruf über ihre Frequenzen ab. Der Amateurfunkdienst ist gesetzlich als experimenteller Funkdienst eingestuft und kann somit keine gesicherten Verbindungen garantieren.
Wenn es aber keine anderen Kommunikationsmöglichkeiten mehr gibt, dann sollen vielmehr die Rettungskräfte und vor allem die Zivilbevölkerung in ihrem notwendigen Kommunikationsbedarf durch den Amateurfunk weitestgehend unterstützt werden.
Dazu ein paar bekannte, zum Teil historische, Beispiele.
Der Norweger Thor Heyerdahl wollte 1947 mit dem Balsaholz-Floß „Kon-Tiki“ von Lima aus über den Pazifik segeln. Mehr lesen ...
Er wollte damit beweisen, dass die Besiedlung Polynesiens von Südamerika aus mit den technischen Möglichkeiten des präkolumbischen Perus vor der Zeit der Inka möglich war. Neben der marinen und medizinischen Ausrüstung gab es auch drei wasserdichte Funkgeräte an Bord sowie eine Drachenantenne. Das Rufzeichen war LI2B. Den Funkamateuren Haugland und Raaby gelangen regelmäßig Kontakte auf Kurzwelle Amateurfunkfrequenzen, insbesondere in die USA; am 5. August sogar direkt nach Oslo. Die weitgehend baugleichen Geräte – je eines für 40/20m, 10m und 6m – waren aus Röhren des Typs 2E30 aufgebaut und lieferten etwa 6W HF-Leistung (also in der Größenordnung einer konventionellen Fahrradlampe). Sie wurden zwar aus Batterien versorgt, doch stand auch ein handbetriebener Generator zur Verfügung.
Diese einfachen Geräte waren die einzigen (Notfall-) Kommunikationsmöglichkeiten der Expedition … und das funktioniert auch heute noch!
Das attraktivste DI-Funkrufzeichen gehörte DI9AA, der Bordstation der „Xarifa“, dem Expeditionsschiff von Hans Hass, Mehr lesen ...
dem Meeresbiologen, Tauchpionier und Autor des legendären Films „Unternehmen XARIFA“ (gedreht in der Zeit von August 1953 bis April 1954, veröffentlicht ab November 1954, siehe auch https://de.wikipedia.org/wiki/Unternehmen_Xarifa). An Bord war eine Amatörfunkstation (so schrieb man das damals) als „Versuchsfunkstelle mit Sondergenehmigung“, aus Lizenz- und Kostengründen die einzige legale weltweite Kommunikationsmöglichkeit. Funker und gleichzeitig Bordarzt war Dr. Heino Sommer. Er wandte sich an sich an Herrn Rapcke, damals Präsident des DARC. Rudi Rapcke DL1WA, Ortsverband Hamburg, richtete später die Station mit etwa 100 W Sendeleistung an Bord ein. Über die gesamte Expeditionsdauer funktionierte die Station einwandfrei. Es wurden weltweite Verbindungen zur Kommunikation und medialen Aufbereitung der Expeditionsaktivitäten und -ergebnisse getätigt.
Was hat das mit Hessen zu tun? Wissenschaftliche Mannschaftmitglieder waren Dr. Georg Scheer, Biologe am Hessischen Landesmuseum in Darmstadt, und Prof. Wulf Emmo Ankel, Direktor des Zoologischen Instituts der Justus-Liebig Hochschule in Giessen.
Was hat das mit Notfunk zu tun? Irenäus Eibl-Eibesfeldt erhielt während der Expedition die Nachricht über seine Vaterschaft.
Wenn Nichts mehr geht, dann geht Amateurfunk immer noch – in jede Richtung!
Um mit ihren Freunden in aller Welt in Kontakt zu bleiben, haben heute viele maritime Funkamateure entsprechendes Equipment an Bord. Mehr lesen ...
So lassen sich viele Törns z.B. via Intermarhttp://intermar-ev.org online verfolgen. Zur weltweiten Positionsübertragung wird das APRS (Automatic Position Reporting System, siehe auch https://aprs.fi) auf Kurzwelle genutzt. Auf dem Land, z.B. aus PKW, erfolgt die Verbindung über UKW. So lässt sich die Position eines vermissten oder verunglückten Seglers anhand des letzten exakt gemeldeten Standortes schnell und hinreichend genau bestimmen.
Am Rande sei bemerkt, dass Intermar noch viel mehr interessante Dienste (z.B. eMail) für den Segler anbietet.
Wenn keine offizielle Funkstelle erreichbar ist, so sind potentiell weltweit ca. 2,5 Mio. Funkamateure im Notfall verfügbar, die im Sinne des HAM-Spirit – der gegenseitigen Hilfe und Rücksichtnahme – unverzüglich die erforderliche Rettungskette einleiten und den einsamen Havaristen so lange „on-air“ begleiten, bis Hilfe eingetroffen ist.
Viele erinnern sich noch an den totalen Zusammenbruch des Stromnetzes (Blackout) in New York oder in Norddeutschland. Mehr lesen ...
In beiden Fällen war zunächst nur ein kleiner Teil des Netzes betroffen. Durch die automatischen Umschaltungen und Lastübernahmen andere Teilnetze schaukelte sich die lokalen Instabilitäten zu regionalen Instabilitäten auf, was die automatische Sicherheitsabschaltung (wegen möglicher Netzüberlastung en) anderer Teilnetze zur Folge hatte. Das fatale Ergebnisse nach kurzer Zeit: Halb Nordamerika und Teile Kanadas waren ohne Strom, Norddeutschland und große Teile Hollands waren lange ohne elektrische Versorgung. Eine ähnliche Situation verdunkelte das Münsterland über fast eine Winterwoche hinweg vollständig – wegen Vereisung stürzten Strommasten um. Nicht zu denken an die Hochwasserkatastrophe 1962 in Hamburg.
Ohne Netzstromversorgung und Kommunikation funktionieren auf Dauer keine medizinische Versorgung (Apotheken, Arztpraxen, Krankenhäuser), Wasser-, Gas- oder Kraftstoffversorgungen und keine Kläranlagen (elektrische Pumpen bzw. Regelungen), keine Heizungen, kein Telefone (der IP-Router im Haus ist tot), kein Mobiltelefone (auch der nächste Funkmast will versorgt werden) und auch kein Internet (wg. IP-Router bzw. Mobilfunkmast). Mit viel Glück kann man mit einem batteriebetriebenen Radio noch einen UKW-Rundfunksender empfangen. Mittelwelle geht nicht mehr, sie wurde in Deutschland schon seit längerer Zeit abgeschaltet. Wenn alles auf DAB umgestellt ist, dann wird auch das nicht mehr möglich sein – das Internet, d.h. die Verbindung zu den DAB-Sendern, ist bei Stromausfall nicht mehr verfügbar.
Was also tun, wenn z.B. medizinische Hilfe benötigt wird? Viele Funkamateure puffern die Stromversorgung ihrer Station mit Akkumulatoren, sie bleibt also auch dann längere Zeit betriebsbereit, wenn der Strom ausfällt. Auch lassen sich weltweite Verbindungen mit batteriebetriebenen Funkgeräten kleiner oder kleinster Leistung herstellen, also genau den Geräten, wie sie auch beim Outdoor-Funken eingesetzt werden!
Bei Katastrophen z.B. (Erdbeben, Überschwemmungen, Lawinenunglücke) z.B. im Gebirge ist fast immer auch die Kommunikation und Infrastruktur betroffen. Mehr lesen ...
Der Zugang zu den betroffenen Regionen ist über längere Zeit kaum oder nur unter sehr schweren Bedingungen möglich. Funkamateuren ist es aufgrund ihrer Ausbildung, ihren technischen Kenntnissen und Fähigkeiten durchaus möglich, auch aus engen Bergtälern heraus mit einfachen Mitteln zu kommunizieren. Häufig waren es Funkamateure, die in solchen Situationen die erste Notfallmeldung absetzten.
Auch im Normalfall, d.h. ohne Katastrophe, ist die Abdeckung des Mobilfunknetzes nicht lückenlos flächendeckend. Mehr lesen ...
Die abgelegenen Orte unbewohnter Täler sind genau die Ziele, der naturbewussten Wanderer. Dort gibt es „Kein Netz“ besonders häufig. Um im Notfall trotzdem Hilfe herbeirufen zu können, hören einige Bergwachtstationen den PMR-Kanal 7 mit dem CTSS-Subton 7 ständig ab. PMR – Public Mobil Radio – ist für Jedermann verfügbar mit einfachen Walkie-Talkies aus dem Supermarkt. Diese Geräte haben aber entscheidende Nachteile: Die Batteriekapazitäten sind sehr schnell erschöpft, ihre Reichweite ist sehr begrenzt (ca. 5km in freiem Gelände), es tummeln sich viele Benutzer auf allen Kanälen (z.B. Camper, Fahrschulen oder Motorradgruppen) und „stopfen“ diese zu. Funkamateure sind hier klar im Vorteil: Mit sehr leichtem Outdoor-Equipment lassen sich problemlos weltweite Verbindungen herstellen!
In Europa ist das Thema Notfunk, insbesondere die Zusammenarbeit mit Hilfs- und Rettungskräften, noch nicht so ausgeprägt, wie in Nordamerika oder Australien. Warum eigentlich? Wir machen doch alle einen Erste-Hilfe-Kurs beim Erwerb des Führerscheins, obwohl wir im tagtäglichen „Normalbetrieb“ höchstens ein Wundpflaster kleben.
In allen beispielhaft genannten Fällen ist die komplette Palette der Funkamateurfähigkeiten ausgesprochen nützlich. Von der Überbrückung scheinbar unüberwindbarer Distanzen mit Funkgeräten kleinster Leistung bis hin zur Sprach-, Daten- oder Bildübertragung zum Herbeiholen von Hilfskräften und zur Lagebeurteilung:
WENN NICHST MEHR GEHT, AMATEURFUNK GEHT IMMER!
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